18 Feb Die Jugendbanden von Nelson Mandela
Nein, es geht in diesem Beitrag nicht um den südafrikanischen Menschenrechtler, sondern um eines der ärmsten Viertel der kolumbianischen Stadt Cartagena mit dem Namen Nelson Mandela. Ungeteerte sumpfige Strassen, einsturzgefährdete Häuser, kaum vorhandene Infrastrukturen für Abwasser, Elektrizität, Gas – so präsentiert sich das Stadtviertel am Rande von Cartagena mit ungefähr 40 000 Einwohnern.
Das Viertel Nelson Mandela in Cartagena (Quelle: https://www.semana.com/nacion/articulo/pandillas-en-cartagena-barrio-nelson-mandela-el-mas-afectado/628434)
Ein gefährliches Viertel
Das erste Mal gehört habe ich vom Viertel Nelson Mandela in einem Taxi. Wir fragten den Taxifahrer beim Smalltalk, ob er schon lange Taxifahrer sei und alle Ecken von Cartagena bediene. Er winkte aber sofort ab und meinte, dass er sich einem Viertel wie Nelson Mandela niemals nähern würde, da es zu gefährlich sei.
Dies sagt wohl schon viel aus über das Viertel, das vor rund 25 Jahren von zugezogenen Kolumbianern gegründet wurde, die überall im Land während des Bürgerkriegs vertrieben worden waren. Das Viertel weist gemäss der Kriminalstatistik der Stadt eine der höchsten Mordraten auf. Auch bei den Sexualdelikten und häuslicher Gewalt liegt das Viertel in der Statistik weit vorne.[1]
Jugendbanden verbreiten Angst und Schrecken
Ein weiteres Problem des Viertels sind die «pandillas». Dies sind Banden, die meist aus einer Gruppe von 15 bis 30 Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 25 Jahren zusammengesetzt sind. Die Mitglieder einer Bande sind freundschaftlich miteinander verbunden und verteidigen ihr Territorium gegenüber feindlichen Banden. Da die Jugendbanden auch sonst nicht vor Gewalt zurückschrecken, herrscht im Viertel allgemein eine Atmosphäre der Angst, so dass sich die Bewohner bei Einbruch der Dunkelheit im Haus einschliessen.
Aufeinandertreffen zweier Jugendbanden im Viertel Nelson Mandela (Quelle: https://dimensionst.com/enfrentamiento-de-pandillas-en-nelson-mandela-cartagena/)
Warum entstehen Jugendbanden?
In einer Reportage in einer kolumbianischen Zeitung ging man näher auf den Grund ein, warum Jugendbanden in Vierteln wie Nelson Mandela weit verbreitet sind.[2] Banden treten normalerweise auf, wenn das städtische Wachstum ungeplant verläuft und die Zahl der Bewohner, die in Armut, Slums und prekären Wohnverhältnissen leben, zunimmt. Diese Bevölkerungsgruppen sind anfälliger für Kriminalität und Gewalt. Dazu kommt, dass Viertel wie Nelson Mandela sehr isoliert am Rande der Stadt gelegen sind und vom Staat bzw. der Politik kaum beachtet werden. Auch Drogenkonsum, Drogenhandel und der Mangel an Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche verschlimmern die Situation. Nicht zu unterschätzen sind die sozialen Netzwerke: Die Jugendlichen können sich online gegenseitig beleidigen und angreifen, was die aufgeladene Stimmung weiter anheizt und sich anschliessend auf der Strasse entladen kann.
Alternative Beschäftigungsangebote
Die Stadt versucht der Lage Herr zu werden, indem sie einerseits bei kriminellen Handlungen hart durchgreift, andererseits Projekte und Initiativen startet, um den Jugendlichen andere Perspektiven aufzuzeigen. So beschäftigten sich Jugendliche beispielsweise im Rahmen eines Sozialprogramms mit den Problemen ihres Viertels, suchten nach Lösungen und drückten diese künstlerisch über Graffiti aus.[3] In einem anderen Projekt, das von Stiftungen finanziert wurde, setzten sich die Jugendlichen mit der Geschichte ihres Viertels und der Bewohner auseinander und veröffentlichten diese in einer selbst herausgebrachten Quartierzeitung.[4]
Mindestens so wichtig sind aber die infrastrukturellen Massnahmen der Stadt: So wurden kürzlich Abwasserleitungen verlegt, einige Hauptstrassen geteert und eine Strassenbeleuchtung installiert. Die lediglich 15 Kilometer zwischen dem Viertel Nelson Mandela und dem reichen Zentrum der Stadt trennen momentan aber immer noch zwei gänzlich unterschiedliche Lebenswelten.
[1] Cartagena cómovamos (2018). Informe de calidad de vida. Módulo seguridad. Abgerufen von http://www.cartagenacomovamos.org/nuevo/wp-content/uploads/2019/09/Informe-Calidad-de-Vida-2018-M%C3%B3dulo-Seguridad.pdf
[2] Viaña Padilla, V. (2019, 18. August). Nelson Mandela: el barrio con más pandillas en Cartagena. Abgerufen von https://www.semana.com/nacion/articulo/pandillas-en-cartagena-barrio-nelson-mandela-el-mas-afectado/628434
[3] https://revistametro.co/2018/10/07/jovenes-riesgo-compromiso-x-paz/
[4] https://fundaciongabo.org/es/keywords/nelson-mandela
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