27 Feb 5 Dinge der Wirtschaft, die in Kolumbien anders geregelt sind
Jedes Land hat seine eigenen Gesetze, Regeln und Gewohnheiten, die auch die Wirtschaft und Gesellschaft prägen. Im Folgenden habe ich – in eher willkürlicher Auswahl und Reihenfolge – einige interessante Länderunterschiede zwischen Kolumbien und der Schweiz zusammengetragen.
1. Medikamente in vielen Arten und Grössen
Das Angebot vieler Supermärkte umfasst eine breite Auswahl an Medikamenten und medizinischen Mitteln. Einige liegen direkt im Supermarktregal, andere sind an separaten Ständen erhältlich. Viele Mittel, die in der Schweiz nur mit ärztlichem Rezept erhältlich sind, können in Kolumbien ohne einen solchen Nachweis direkt bezogen werden. Praktisch ist, dass man in jedem kleinen Tante-Emma-Laden um die Ecke gängige Tabletten als Einzelkapseln kaufen kann, z. B. zwei Kapseln Schmerzmittel gegen Kopfweh für 3000 Pesos (ca. 1 Franken bzw. Euro).
2. Services von billigen Arbeitskräften
Arbeitskräfte in Kolumbien kosten verhältnismässig wenig. Der monatliche Mindestlohn liegt derzeit bei ca. 880 000 Pesos, was rund 250 CHF bzw. 240 Euro entspricht. Benötigt man Hilfe beim Transportieren von Möbeln oder beim Hausputz, lassen sich für ein kleines Entgelt helfende Hände quasi an jeder Strassenecke finden. Hilfreich ist dies beim Grosseinkauf im Supermarkt. Wenn die Strecke nach Hause zu weit ist, können häufig die Angestellten des Supermarkts gegen ein kleines Trinkgeld dafür angeheuert werden, dass sie den Einkaufswagen bis in die Wohnung zu schieben. Einerseits ist dies wohl als Marketingmassnahme des Supermarkts im Sinne eines Service für die Nachbarschaft zu verstehen, andererseits verdienen sich die vielen jungen Angestellten, die teilweise eher untätig in den Läden herumstehen, auf diese Weise noch etwas dazu.
Eine Kundin lässt ihren Einkaufswagen nach Hause schieben
3. Keine staatlichen Betreibungsämter
In Kolumbien übernimmt der Staat im Gegensatz zur Schweiz nicht die Aufgabe, Betreibungen durchzuführen. Was also können kolumbianische Unternehmen tun, wenn die Kunden nicht zahlen? Mahnen, schriftlich und telefonisch, eine Inkassoagentur beauftragen, einen Anwalt engagieren – um einmal bei den legalen Mitteln zu bleiben. Eine weitere Möglichkeit haben Anbieter mit Dauerdienstleistungen, also beispielsweise die Unternehmen für Wasser, Gas, Strom oder Internet. Ihre Zahlungsfristen betragen ca. 5 Tage und wenn nicht pünktlich bezahlt wird, fackeln sie nicht lange und stellen den Service einfach ab. Immerhin ist die Zahlung heutzutage über das Internet möglich, so dass man nicht eilenden Schrittes eine Zahlstelle in einem Supermarkt suchen muss, um die Rechnung zu begleichen.
Der Mobilfunkanbieter tigo kappt den Service zwei Tage nach der verstrichenen Zahlungsfrist (Quelle: https://ayuda.tigo.com.co/hc/es/articles/360014496014–Cu%C3%A1l-es-el-referente-de-pago-de-la-factura-Tigo-Empresas)
4. Lange Arbeitstage
Gemäss kolumbianischem Arbeitsgesetz umfasst eine Arbeitswoche 48 Stunden, also 8 Arbeitsstunden an 6 Tagen. Kolumbien steht damit nicht alleine da – weitere lateinamerikanische Länder wie Argentinien, Bolivien, Chile oder Mexiko haben ebenfalls eine legale Stundenwoche von 48 Stunden. Dass eine lange Arbeitsdauer nicht mit einer hohen Produktivität gleichgesetzt werden kann, wurde erkannt und so sind verschiedene politische Initiativen vorhanden, welche die Arbeitsdauer reduzieren möchten, bislang aber ohne Erfolg.
Kolumbien liegt auf dem letzten Platz bei der Work-Life-Balance (Quelle: https://www.statista.com/chart/12997/countries-with-the-worst-work-life-balance/)
→ Der Arbeitsmarkt in Kolumbien ist auch sonst speziell. Die Lernaufgabe «Beschäftigung im informellen Arbeitsmarkt» geht darauf ein, weshalb der informelle Arbeitsmarkt in Kolumbien derart ausgeprägt ist. Link: https://econocol.ch/lernaufgabe-07/
5. Recht auf Rückgabe eines Produkts
Kauft man in Kolumbien ein Produkt oder erwirbt eine Dienstleistung und bereut dies anschliessend, kann das Produkt innerhalb von 5 Tagen zurückgegeben bzw. die Dienstleistung annulliert werden. Dieses Widerrufsrecht soll die Rechte der Konsumenten stärken und umfasst grundsätzlich alle Käufe ohne Einschränkungen. Es geht damit sehr viel weiter als das Widerrufsrecht im Schweizerischen Obligationenrecht, das nur für ganz bestimmte Verträge und unter bestimmten Voraussetzungen gilt (z. B. bei Haustürgeschäften).
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