19 Jun Kampf dem kolumbianischen Machismo
Luis Pérez Rodriguez oder Luis Rodriguez Pérez? Vor Kurzem entschied das kolumbianische Verfassungsgericht, das Namensrecht zu ändern. Kinder erhalten neu nicht mehr automatisch zuerst den ersten Nachnamen des Vaters und danach denjenigen der Mutter. Es kann auch der erste Nachname mütterlicherseits zuerst genannt werden:
Das Gericht begründete seinen Entscheid damit, dass die bisherige Regelung ein Akt der Diskriminierung von Frauen sei. [1]
Der lateinamerikanische Machismo
Die Machokultur oder spanisch der Machismo – der Duden beschreibt ihn als übersteigertes Gefühl männlicher Überlegenheit und Vitalität – ist in Lateinamerika weit verbreitet. Er zeigt sich im Alltag in vielen Formen, zum Beispiel in der Beliebtheit von Schönheitswettbewerben, dem Hinterherpfeifen von Frauen auf der Strasse, der klassischen Rolle der Frau als Ehefrau und Mutter oder der hohen Zahl von Gewaltdelikten an Frauen.
Entscheide des Verfassungsgerichts zur Gleichberechtigung
Das Verfassungsgericht von Kolumbien wurde 1991 geschaffen und garantiert die Verfassungsgerichtsbarkeit der Republik Kolumbien. Es ist somit das letzte Berufungsgericht für Angelegenheiten, die die Auslegung der Verfassung betreffen und überprüft die Verfassungsmässigkeit von Gesetzen, Rechtsbestimmungen und Handlungen. In Artikel 13 der kolumbianischen Verfassung ist die Gleichberechtigung aller Personen verankert. Auf dieser Grundlage traf das Gericht in den letzten Jahren einige Urteile, die gegen den Machismo gerichtet sind.
Von der Ehe für alle…
Das Verfassungsgericht entschied 2016, dass gleichgeschlechtliche Paare nicht nur eine Lebenspartnerschaft eintragen, sondern auch heiraten können.[2] Kolumbien war nach Argentinien, Brasilien und Uruguay somit das vierte Land Südamerikas, das die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubte.
In Kolumbien können gleichgeschlechtliche Paare seit 2016 sowohl heiraten als auch eine Lebenspartnerschaft eintragen lassen (Bild: Unsplash)
zur Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen im Sport…
Die Liga Pony Fútbol wurde vom Verfassungsgericht zurückgepfiffen, weil sie das Jungen-Team, in dem die 10-jährige María Paz Mora Silva als Goalie (Torwartin) eingesetzt war, nachträglich disqualifizierte und vom Turnier ausschloss. Das Gericht begründete den Entscheid damit, dass Mädchen in Fussballturnieren nicht diskriminiert werden dürfen und somit auch geschlechtergemischte Teams zugelassen sind.[3]
zum Recht von Frauen, auch in den sozialen Medien deutlich «Nein» zu sagen…
Eine Frau veröffentlichte auf Facebook einen Beitrag, in dem sie einem Mann eine scharfe Abfuhr erteilte. Der Mann hatte geschrieben, dass sie eine Beziehung hätten und miteinander ausgegangen seien. Der Mann erhob daraufhin Klage, weil seine Ehre verletzt worden sei. Das Verfassungsgericht wies die Klage aber ab, da im Netz das Recht auf Meinungsfreiheit herrsche. Vor allem aber seien die sozialen Netzwerke ein wichtiger Ort, um die Diskriminierung der Frauen zu überwinden. Frauen hätten also ein Recht darauf, auch in sozialen Plattformen «Nein» zu sagen.[4]
zu diversen Anpassungen des Zivilgesetzbuchs.
Das kolumbianische Zivilrecht ist 133-jährig und beinhaltet verschiedene Regelungen, die auf einem patriarchalischen Gesellschaftsverständnis aufbauen. In den letzten Jahren wurden viele dieser Gesetzesbestimmungen angepasst. Das Verfassungsgericht strich kürzlich beispielsweise die Vorgabe aus dem Eherecht, dass die Angetraute den Freunden des Mannes präsentiert und von diesen akzeptiert werden muss.[5]
Weitere Infos:
Mit der Lernaufgabe «Namensrecht und Gleichstellung» analysieren die Lernenden das kolumbianische Namensrecht im Vergleich zu ihrem Heimatland. In der Lernaufgabe «Ehe für alle?» setzen sich die Lernenden mit den Familienformen der Ehe und der Lebenspartnerschaft auseinander.
Ist der Machismo verschwunden?
Die drei Richterinnen und sechs Richter des Verfassungsgerichts haben in den vergangenen Jahren also verschiedene progressive Urteile gefällt. Die Frage aber bleibt, ob sie auch von der Bevölkerung mitgetragen werden. Umfragen zeigten zum Beispiel, dass die gleichgeschlechtliche Ehe von der Mehrheit der kolumbianischen Bevölkerung abgelehnt wird.[6]
Auch die nach wie vor hohe Zahl der Gewaltdelikte gegen Frauen (z. B. 42 Tötungen im März 2020, die meisten davon durch den eigenen Partner[7]), ist ein Zeichen dafür, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter von bestimmten Bevölkerungsschichten zwar angestrebt wird, dass sie aber noch lange nicht überall in Kolumbien angekommen ist.
[1] Sentencia C-519/19, abrufbar unter https://www.corteconstitucional.gov.co/
[2] Sentencia SU-214/16
[3] Sentencia T-366/19
[4] Sentencia T-361/19
[5] Sentencia C-203/19
[6] 600 befragte Personen, vgl. Gallup Colombia. (2018, Abril). Gallup Poll. El matrimonio civil entre parejas homosexuales. #124. S. 82
[7] https://observatoriofeminicidioscolombia.org
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