Warum sind (waren) Mexikaner so glücklich?

Mexiko hat eine der höchsten Mordraten weltweit, die im Jahr 2018 zudem den Höchststand ihrer Geschichte erreichte. Auch bei den Zahlen zu Menschenhandel, Raub und Überfällen nimmt das Land vordere Plätze auf der Rangliste ein.[1]

Warum also sind die Mexikaner doch so glücklich? Platz 2 gemäss dem Happy Planet Index im Jahr 2016 (nur geschlagen von Costa Rica), Platz 23 von 156 Ländern im World Happiness Report der UN im Jahr 2019.[2]

Berechnung HPI

Der Happy Planet Index wird berechnet als Produkt aus einem Umfragewert zur Zufriedenheit, der Lebenserwartung, der Gleichverteilung und dem ökologischen Fussabdruck (Quelle: https://happyplanetindex.org)

 

Subjektive Werte

Zuerst muss geschaut werden, wie das Glück definiert und gemessen wird. In beiden genannten Indizes sind es Umfragen, mit denen die Zufriedenheit der Mexikanerinnen und Mexikaner erhoben wird. Wenn das Glück und die Zufriedenheit nämlich anhand harter Fakten wie einer tiefen Ungleichheit oder Korruption gemessen werden, stürzt Mexiko in der Rangliste sehr schnell ab. Weshalb also geben die Mexikanerinnen und Mexikaner subjektiv an, zufrieden zu sein, wenn die objektiven Daten doch eine andere Sprache sprechen?

Die Familie als Zentrum des Glücks

Der World Happiness Report bringt etwas Licht ins Dunkel. Der Report schaut 6 Felder an: Wirtschaft, Gesundheit, Soziales Netz, Persönliche Freiheit, Grosszügigkeit und Wahrnehmung der Korruption. Dabei wurde besonders das soziale Netz in Mexiko sehr positiv eingestuft. Die Familie wird als sehr wichtig angesehen, das Zusammenkommen mit Familie und Freunden, das Feiern mit Musik und Essen wird als bedeutsamer Teil der Kultur angesehen.

Hoffen auf bessere Zeiten

Das gute Abschneiden Mexikos im World Happiness Report 2019 wurde zudem mit der Wahl des neuen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador begründet. Es ging dabei weniger um die gewählte Person selbst. Die Mexikanerinnen und Mexikaner setzten vielmehr darauf, dass eine Zeit geprägt durch Korruption, Gewaltzunahme und negative ökonomische Entwicklungen nun zu Ende gehen würde. Die Wahlen machten Hoffnung auf eine Veränderung, auf einen Neuanfang.

Carpe Diem

Wer bereits in Mexiko oder anderen lateinamerikanischen Ländern unterwegs war oder sogar längere Zeit dort verbracht hat, wird wohl auch dem folgenden Erklärungsansatz zustimmen: Die Lateinamerikaner haben eine andere Wahrnehmung des Lebens. Wo wir unglücklich sind, weil wir uns mit anderen vergleichen und schlechter abschneiden, sind viele Lateinamerikaner bereits zufrieden, wenn ihre Grundbedürfnisse erfüllt sind. Es ist also eine Frage der Erwartungshaltung, etwas sehr Subjektives. Das Beste aus jeder Situation machen, den Tag so nehmen, wie er kommt, darauf hoffen, dass es schon irgendwie gut ausgehen wird – eine Gelassenheit, die in der lateinamerikanischen Kultur tief verankert ist.

Corona macht unglücklich

Unerschütterlich ist diese Gelassenheit aber nicht – so stürzte Mexikos Ranking im World Happiness Report im ersten Corona-Jahr 2020 auf den 46. Rang ab. Mexikos Bruttoinlandprodukt schrumpfte im Jahr 2020 um 8 %, ganz Lateinamerika erlebt derzeit die schlimmste ökonomische und soziale Krise der letzten 100 Jahre. Die Reaktionen zeigen sich nicht nur in zunehmenden Unruhen und Protesten in ganz Lateinamerika, sondern auch in solchen Umfragen zu Glück und Zufriedenheit. Der mexikanische Präsident hat sein angekündigtes Projekt eines Glücksindikators zumindest momentan auf Eis gelegt.[3]

Infos zu Lernaufgaben:

-> Mit der Lernaufgabe «Glück anstatt Wirtschaftswachstum?» untersuchen die Lernenden anhand dem Beispiel von Mexiko, ob neue Glücksindikatoren eine Alternative zum Bruttoinlandprodukt sein könnten.

-> In der Lernaufgabe «Der Drogenmarkt ist auch ein Markt» analysieren die Lernenden anhand des Drogenkriegs in Mexiko, wie sich Staatseingriffe auf den Drogenmarkt auswirken.

 

[1] UNODC. (o. D.). dataUNODC. UNITED NATIONS. Abgerufen am 13. Mai 2021, von https://dataunodc.un.org/

[2] New Economics Foundation. (2016, 20. Juli). Mexico. Happy Planet Index. http://happyplanetindex.org/countries/mexico; Helliwell, John F., Richard Layard, Jeffrey Sachs, and Jan-Emmanuel De Neve, eds. (2020). World Happiness Report 2020. New York: Sustainable Development Solutions Network. https://worldhappiness.report/ed/2020/

[3] Davies, P. (2021, 22. März). Mexicans turn gloomy; nation plunges 23 places on 2020 World Happiness Report. Mexico News Daily. https://mexiconewsdaily.com/news/coronavirus/mexico-plunges-23-places-on-2020-world-happiness-report/

 

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